Freitag 8:30 Uhr: Mein Dienstbeginn bei den Brotpuristen in Speyer beginnt. Anders als in anderen Bäckereien beginnt der Arbeitstag hier erst verhältnismäßig spät. Gebacken wird von morgens bis mittags, verkauft erst ab 15:30 Uhr. Das ist zum einen ein Segen für die Bäcker und zum anderen kriegt man, wenn man nach Feierabend noch ein Brot kaufen will, ein richtig tolles und frisches Produkt, welches nicht schon den halben Tag in der Auslage liegt. Und dass es bei den Brotpuristen tolle Produkte gibt, ist mittlerweile bis weit über die Grenzen von Speyer bekannt.
Seit dem ersten Tag der Eröffnung stehen die Menschen täglich und pünktlich um 15:30 Uhr Schlange vor dem Laden. Zwar gibt es dort pro Tag nur vier verschiedene Brotsorten zu kaufen, aber diese sind allesamt unvergleichlich gut. Jedes Brot wird in Handarbeit gefertigt und wird ohne Zusatzstoffe gebacken. Hier wird noch richtiges Handwerk zelebriert. Etwas was man bei mir im Umkreis nur noch ganz ganz selten findet.
Da ich mich in den letzten Monaten mehr und mehr zum Hobbybäcker entwickelt habe und das Brotbacken bei mir gerade ein sehr heißes Thema ist, habe ich Sebastian Däuwel, den Inhaber der Bäckerei gefragt, ob ich nicht mal einen Tag zum Mitarbeiten vorbeikommen könnte. Nachdem der richtige Termin gefunden wurde habe ich mich aufgemacht nach Speyer, um einen Einblick hinter die Kulissen zu bekommen. Ich durfte feststellen, wie der Alltag in einer richtigen Bäckerei so läuft, habe den Unterschied bemerkt, wie es ist 400 Brote zu backen statt nur zwei im heimischen Ofen und konnte richtig viel dazu lernen. Trotz der Anstrengungen ein absolut fantastischer Tag.
Teig aufarbeiten
Kurz nach meiner Ankunft ging es auch schon los. Draußen waren es angenehme 22°. In der Backstube gefühlt doppelt so heiß. Ich kam mir kurzzeitig vor wie im Thailand Urlaub und konnte nur schmunzeln als Bäcker Daniel zu mir meinte „Och heute ist es eigentlich ganz angenehm. Letzte Woche war es schlimmer“. Na dann – gut dass es mit dem Praktikumstag nicht eine Woche früher geklappt hat. Nachdem ich mich umgezogen hatte habe ich Thomas, dem laut eigenen Aussagen ältesten Bäcker Deutschlands, beim Aufarbeiten der Teige geholfen. Zuerst war der Roggenteig dran. Während Thomas meist Edeka-Werbung-mäßig die haargenaue Menge Teig von 900gramm abwiegt und in Portionen auf meinen Tisch rüberwirft, ist es meine Aufgabe die Teigklumpen rundzuwirken und in die Gärkörbchen zu setzen.
Eine Aufgabe die mir bereits bekannt ist. Schließlich habe ich das Roggenbrot schon sehr oft zu Hause gebacken. Ich lege also los und bereite einige Brotleibe fürs Backen vor. Währenddessen schmeißt Thomas immer mehr Teig auf meine Seite der Arbeitsfläche, während er die ein oder andere Anekdote über seine 40jährige Bäcker Karriere vom Stapel lässt. Als mein Tisch voll ist und ich nicht mehr hinterher komme, kommt er herum und hilft mir beim rundwirken des Teiges. Im Gegensatz zu mir, schnappt sich Thomas gleich zwei Teige – einen für jede Hand – und wirkt sie mit gekonnten Bewegungen innerhalb von drei Sekunden rund. Ich für meinen Teil brauche beide Hände für einen Teig und mindestens das zehnfache der Zeit. Hier zeigt sich dann halt Erfahrung und Routine. Definitiv beeindruckend. Danach ging es an den Teig fürs Nussbrot und das Ölsaaten Brot. Auch hier staune ich wieder nicht schlecht über Thomas Schnelligkeit und die zeitgleiche Präzision, die er an den Tag legt.
Zöpfe flechten leicht gemacht
Nachdem alle Teige vorbereitet waren, ging es gemeinsam mit Daniel ans Flechten der Hefe Zöpfe, die an diesem Tag als kleines Projekt gebacken wurden. Daniel ist gelernter Bäcker und bereitet solches Hefegebäck vermutlich im Schlaf zu. Nachdem wir die einzelnen Stränge ausgerollt hatten, gab mir der Bäckermeister einen sehr lehrreichen Flechtunterricht. Zwei mal gingen wir die einzelnen Schritte komplett durch. Meinen dritten Zopf konnte ich dann schon alleine flechten. Beim vierten oder fünften war ich mir dann aber schon fast zu sicher und hatte einen der Knoten scheinbar in mein Hirn, statt in den Zopf gemacht und Daniels geschultes Auge musste einen Flechtfehler in meinem Zopf entdecken. War aber halb so wild und sollte am Ende auch niemandem auffallen.
Was zählt ist letztendlich ja sowieso der Geschmack – und der war ausgezeichnet. Zuletzt wurden die Zöpfe noch mit Ei abgestrichen und mit Hagelzucker und Mandeln bestreut. Das Endergebnis durfte sich ebenfalls sehen lassen. Alle Zöpfe sind schön aufgegangen und kamen goldgelb und duftend aus dem Ofen.
Auch Putzen gehört zum Job
Wer jetzt denkt, dass ich an diesem Tag nur die tollen Aufgaben bekommen habe, der irrt. Zwischenzeitlich habe ich mich bei weiterhin gefühlten 45° Kesselputzend und kniend auf dem Boden der Backstube wieder gefunden. Und ich rede jetzt nicht von so einer kleinen Kitchen Aid Rührschüssel. Die Kessel der Teigknetmaschinen haben leider ganz andere Durchmesser, sodass ich erst einmal schweißtreibende 10 bis 15 Minuten gebraucht habe, bis das Ding vollständig sauber war. Auch die Arbeitsflächen galt es zwischendurch immer wieder zu reinigen, aber das gehört nun mal auch zum Job und so habe ich mich selbstverständlich auch nicht davor gedrückt.
Die Hohe Kunst des Baguette Backens
Danach ging es mit Sebastian an die Öfen. Die von Thomas vorgeformten Baguettes mussten aus den Leinentüchern auf die Bleche umgesetzt und eingeritzt werden. Aber einritzen ist nicht gleich einritzen. Sebastian und später auch noch Daniel zeigten mir die perfekte Technik, damit die gebackenen Baguettes die typisch rustikale Optik erhalten. Es war erstaunlich etwas später am fertigen Produkt zu sehen, was der richtige Schnitt für das perfekte Aufplatzen des Baguetteteigs bedeutet. Auch hier tat ich mich anfänglich etwas schwer und die ersten Versuche waren nicht zur vollsten Zufriedenheit der Bäckermeister. Es wurde aber von mal zu mal besser und letztendlich überlies man mir später komplett die Aufgabe der Baguette Vorbereitung. Während Sebastian dann irgendwann in den Verkauf wechselte, um den Andrang an Kunden zu bewältigen, kümmerte ich mich gemeinsam mit Daniel um die restlichen Baguettes.
Gegen 17:30 Uhr waren dann auch die letzten französischen Stangenbrote aus dem Ofen geholt und ein wirklich toller, spannender und vor allem auch anstrengender Tag bei den Brotpuristen ging zu Ende. Vor diesem Tag dachte ich, ich wüsste schon sehr viel über das Brot backen, doch Thomas, Daniel und Sebastian haben mich eines besseren belehrt. Ich habe so viel Neues gelernt und mir die wichtigsten Tipps und Kniffe auch direkt zu Hause aufgeschrieben, damit ich sie ja nicht vergesse.
Nach dem Tag habe ich vor allem gemerkt wie anstrengend so ein Arbeitstag in der Backstube sein kann. Als „Sesselpupser“ im Büro bin ich das lange Stehen einfach nicht gewohnt. Auch die hohen Temperaturen waren für mich nicht ohne. Zu allem Überfluss musste ich auch noch, mit dem überaus vollgepackten Rucksack mit Kameraequipment und drei Broten von der Bahnhaltestelle rund 2km nach Hause latschen. Dort angekommen ging es schnurstracks unter die Dusche.
Nachdem ich dann noch ein bisschen für meinen primären Job arbeiten musste, schnitt ich mir noch jeweils eine Scheibe vom frisch gebackenen Brot ab und ging dann mit schmerzenden Füßen und einer ordentlichen Portion Rückenschmerz erschöpft aber glücklich ins Bett.
Die Brotpuristen
So – und wer jetzt Bock auf geiles Brot bekommen hat, der macht sich am besten auf nach Speyer und besucht den Laden der Brotpuristen.
Die Brotpuristen
Bahnhofstraße 51/53 Auestrasse 31
67346 Speyer
Hey Jens,
toller Beitrag. Da wird ja noch ein echter Bäcker aus dir. Klingt ja nach ner Menge Spaß und Arbeit.
Und unter den Schürzen hattet ihr hoffentlich noch was an 🙂
Gruß, Martin
Hi Martin,
ich muss dich enttäuschen. Für eine Hose unter der Schürze war es an dem Tag einfach zu warm 😉
Ein toller Beitrag und bestimmt auch ein toller Tag! Danke fürs mitnehmen!
Gerne doch, Julia. Danke fürs Lob 😉
Wow, nicht schlecht!
Bestimmt ne Erfahrung die man nicht so schnell vergisst.
Und eine tolle Aktion von den Brotpuristen dich richtig mitschaffen zu lassen.
War wirklich eine ganz besondere Erfahrung, Fabian.
Und du hast recht. Ich bin wirklich froh, dass ich nicht nur zum Kaffee kochen und Akten sortieren eingestellt wurde 😉
Super Bericht! Vieles kann ich nachvollziehen – ich durfte im November einen Tag bei Günther Weber in der Backstube verbringen… schmerzende Füße inklusive… aber: es war einer der besten Tage überhaupt weil man hinter dem Kulissen die wirklichen Abläufe und Tricks mitbekommt.
Wahre Worte, Ina.
Meine Füße taten mir übrigens auch am Folgetag noch weh. Ich weiß nicht wie du Jungs das da jeden Tag machen … aber man gewöhnt sich vermutlich an alles.
Warst du dann auf dem Lorettohof?
Ja genau – das ist ja bei uns in der Nähe
und ein wunderbarer Fleck Erde… war echt spannend vom Anfeuern des Ofens bis zum Einschießen…
bzw. jetzt weißt Du auch weshalb ich beim Foodbloggercamp
gerne meine Laufschuhe trage 😉
Super Idee und toller Bericht! Bei solchen Exkursen merkt man dann erst mal, wie wenig man als Schreibtischmensch körperliche Arbeit gewohnt ist – geht uns bei Restaurant Day auch immer so. 😉
LG
Sabrina
Ja Sabrina,
ich kenne das auch schon von meinen Supper Club Abenden. Mir tun da immer am meisten die Fersen weh 🙁
Aber gut zu wissen, dass ich nicht der einzige Schreibtischakrobat mit diesem Problem bin 😉
Ohh. Da hätte ich aber auch mal Lust drauf. Und wenn ich das nächste Mal in Speyer bin, schau ich da auf jeden Fall vorbei 🙂
Lieber Jens,
ein toller Bericht. Und ich kann es dir alles gut nachempfinden, denn in der Schule hatte ich eine Freundin, deren Familie eine eigene Bäckerei hat. Da sind wir dann nachts manchmal nach dem Weggehen eingefallen und haben uns bedient. Ich durfte dort auch mal Pizzateig kneten und mit der Maschine ausrollen, da war jedoch wenig Handarbeit gefragt. An die Hitze kann ich mich noch sehr gut erinnern.
Liebe Grüße,
Lena